DIE KRAFT DES WIRBELS

Kleinwasserkraftwerke sind ökologisch umstritten und gelten als unrentabel. Neue Techniken könnten das ändern.

 

Das Wasser stand ihm bis zur Hüfte, doch Andreas Steinmann hatte vorgesorgt. „Fischerhosen!“, sagt er. „Ohne die wäre das nicht gegangen.“ Die Suhre im schweizerischen Örtchen Schöftland, Kanton Aargau, ist ein Zufluss des helvetiischen Nationalstroms Aare. Sie führt im Schnitt gut 2,5 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Steinmann stand mittendrin, drückte den Messstab auf den Grund, blickte ans Ufer, wo seine Partnerin am Peilgerät die Messwerte notierte. Ohne Flussprofil kein Wasserkraftwerk. Das aber war Steinmanns Ziel.


„Wir wollten unser Haus 100 Prozent mit erneuerbarer Energie versorgen“, sagt der Bauingenieur. Seine Heizung läuft mit Holz, für Warmwasser sorgt die Sonne. Fehlte noch der Strom. Und die Suhre fließt gleich nebenan.

 


Steinmann und Heidi Zumstein hatten zunächst ein Wasserrad ins Auge gefasst, wie sich einst vier Stück an diesem Flussabschnitt drehten. Dann eine konventionelle Turbine. Dann eine Wasserschnecke. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis, sagt er, wäre in allen Fällen zu schlecht gewesen. Bei der Suche nach Alternativen stießen sie auf das Kraftwerksmodell des österreichischen Ingenieurs Franz Zotlöterer, Gewinner des „Energy Global Award 2007“. Der Prototyp steht in Ober-Grafendorf in Niederösterreich: ein rundes Becken mit einem Abflussloch in der Mitte. Das von der Seite einströmende und durch das Loch im Boden abfließende Wasser bildet in dem Becken einen Strudel, der einen von oben hineingehängten Rotor antreibt: ein Wasserwirbelkraftwerk. Bau und Unterhalt einer solchen Anlage seien wegen der einfacheren Technik billiger als bei herkömmlichen Wasserkraftwerken, sagt Steinmann. Zudem lasse sich bereits bei einer Fallhöhe von nur 70 Zentimetern und einer Durchflussmenge von 1.000 Litern pro Sekunde Strom erzeugen.


Das Wirbelbecken in Schöftland liegt ein paar Schritte seitlich des ursprünglichen Flusslaufs im hochwassersicheren Bereich: ein runder Betonbau, 6,5 Meter Durchmesser, knapp drei Meter hoch. Eine alte Querschwelle im Flussbett und ein paar Felsbrocken leiten über einen 20 Meter langen Kanal je nach Wasserstand zwischen 800 und 2.500 Liter pro Sekunde in das Becken; ein grobes Gitter hält Treibgut ab. Der Beckenablauf mündet direkt in eine neugeschaffene breite Aue, durch die auch das im Fluss verbliebene Restwasser mäandert. Die Höhendifferenz zwischen den Wasserspiegeln am Ein- und Auslauf des Kraftwerks beträgt, je nach Wassermenge, zwischen 90 und 270 Zentimeter.


Im technischen Aufbau folgt die Anlage dem österreichischen Vorbild. Geplant hat sie Steinmann mehr oder weniger in Eigenregie. Erd-, Beton-, Metall- und Elektroarbeiten übernahmen Betriebe aus dem Dorf. Das Kapital sammelte eine von Steinmann gegründete Genossenschaft, die es mit 2,3 bis 3,3 Prozent verzinst.


Ein Jahr ist es her, dass Helfer die Schieber am Einlauf nach oben zogen. Seither dreht sich die Turbine. Der hochwassersicher über dem Becken montierte Asynchrongenerator liefert zehn bis 15 Kilowatt, von ein paar Elektronikausfällen abgesehen lief das Selbstbaukraftwerk bisher störungsfrei. Der Jahresertrag von rund 100.000 Kilowattstunden deckt den Bedarf von 25 Mehrpersonen-Haushalten. Nach dem Schweizer Einspeisegesetz wird der Ökostrom aus der Suhre 25 Jahre lang mit 34 Rappen (24,7 Cent) je Kilowattstunde vergütet. Die Investition von 340.000 Franken (247.000 Euro) werde sich damit inklusive Kapitalkosten bereits nach 20 bis 25 Jahren amortisiert haben, rechnet Steinmann vor. Für ein Wasserkraftwerk, das viele Jahrzehnte laufen kann, ist das eine eher kurze Zeit. Der Netzbetreiber ist verpflichtet, den Strom auch nach den ersten 25 Jahren noch abzunehmen. Steinmann geht von einem Gestehungspreis von dann acht bis zehn Rappen (5,8 bis 7,3 Cent) pro Kilowattstunde aus – locker konkurrenzfähig.

„MEHR SCHADEN ALS NUTZEN“

Der volkswirtschaftliche und ökologische Nutzen der Kleinwasserkraft ist allerdings umstritten. In Deutschland erzeugen derzeit 7.500 Wasserkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 4,7 Gigawatt je nach Abflussmengen der Flüsse zwischen 18 und 25 Terawattstunden Strom im Jahr, 21 bis 22 Terawattstunden im Schnitt. In Pumpspeicher-Wasserkraftwerken nur zwischengespeicherte Energie ist hier nicht mitgerechnet. Das entspricht drei bis vier Prozent des bundesdeutschen Stromverbrauchs. 90 bis 92 Prozent davon erzeugen jedoch etwa 350 größere Anlagen mit einer Leistung von einem Megawatt oder mehr. Gut 7.000 Kleinanlagen produzieren nur ein Zehntel des Wasserkraftstroms.


Und Naturschützer kritisieren die Kleinen. „Der Schaden ist viel größer als der Nutzen“, argumentiert etwa Sebastian Schönauer, Sprecher des Bundesarbeitskreises Wasser beim deutschen BUND. Er verweist auf den Eingriff ins Ökosystem Fluss, die Barrierewirkung der Anlagen und die Verletzungsgefahr für Fische durch die Turbinen. „Angesichts ... des Ausbaus anderer erneuerbarer Energieträger kann und sollte auf den Neubau von Kleinwasserkraftanlagen verzichtet werden“, fordert der Umweltverband.


Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) und das Wuppertaler Institut sehen das etwas anders. Sie halten in ihrer 2004 für das Bundesumweltministerium erstellten Studie „Ökologisch optimierter Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien in Deutschland“ einen Ausbau der Wasserkraft um 15 Prozent für möglich. Das technisch nutzbare Potenzial insgesamt liege bei 5,4 Gigawatt oder im Mittel 25 Terawattstunden im Jahr. Nutzen ließe es sich durch Modernisierung und Ausbau bestehender Kraftwerke – sowie durch den Neubau kleiner Wasserkraftanlagen. Schließe man den Neubau an weitgehend naturbelassenen Flüssen aus, verringere sich das Gesamtpotenzial um 0,2 Gigawatt beziehungsweise eine Terawattstunde pro Jahr. Auch das Institut für Wasserbau der Universität Stuttgart geht unter Berücksichtigung ökologischer Einschränkungen von einem verbliebenen Ausbaupotenzial von drei bis fünf Terawattstunden im Jahr aus. Den größten Teil davon schreibt dieses jedoch der Modernisierung bestehender großer Wasserkraftwerke zu.

OPTIMISTISCHE BRANCHE

Der druckfrische Forschungs- und Entwicklungsbericht des Bundesumweltministeriums wiederum mit dem Titel „Potentialermittlung für den Ausbau der Wasserkraftnutzung in Deutschland als Grundlage für die Entwicklung einer geeigneten Ausbaustrategie“ berechnet das Potenzial speziell neuer kleiner Wasserkraftanlagen auf 0,8 Terawattstunden. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten reduziere sich dieses auf 0,5 Terawattstunden. Das entspricht 600 Anlagen à 200 Kilowatt oder 6.000 Anlagen à 20 Kilowatt Leistung.


Die Wasserkraftbranche ist hier optimistischer. Tausende Kleinanlagen könnten modernisiert oder erweitert werden, Tausende aufgegebener Wasserkraftstandorte ließen sich reaktivieren, wirbt der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke. Insgesamt könne die installierte Wasserkraftleistung in Deutschland bis Ende 2020 auf diese Weise um mehr als ein Drittel auf dann 6,5 Gigawatt, die Stromproduktion auf jährlich 32 Terawattstunden steigen. Allerdings räumt selbst der Bundesverband Erneuerbare Energien ein, dass diese Prognosen im Widerspruch zu diversen Studien stehen, die die Wasserkraft in Deutschland als weitgehend ausgeschöpft ansehen. Aus einem Grund aber stuft auch ein Thesenpapier des Bundesumweltministeriums von 2008 kleine Wasserkraft „aus klimapolitischer und gesamtstaatlicher Sicht“ weiterhin als bedeutsam ein: Sie habe wie andere Anlagen der dezentralen Stromversorgung den Vorteil, verbrauchsnah in ein meist schon bestehendes Stromnetz einzuspeisen. Der Netzausbaubedarf sei deutlich geringer als bei zentralen Einspeisern. Zumal die Stromeinspeisung aus Wasserkraft nur in einem sehr engen, genau vorhersehbaren Bereich fluktuiere.

„ABSOLUT NATURVERTRÄGLICH“

Die ökologischen Bedenken lässt Steinmann für Wasserwirbelkraftwerke ohnehin nicht gelten. Die Anlage Schöftland sei absolut naturverträglich, unterstreicht er. So habe man vom zunächst geplanten kleineren Aufstau der Suhre schnell Abstand und damit einen geringeren Stromertrag in Kauf genommen. Ein Umweltverband hatte Einspruch signalisiert, die behördliche Genehmigung, vermutet Steinmann, wäre schwierig geworden. Zwar steht die Schlussabnahme noch aus. Der Streit mit der Wasserbehörde dreht sich aber nur noch darum, ob wie bisher zu jeder Zeit eine bestimmte Mindestwassermenge im ursprünglichen Flussbett verbleiben muss, um die Durchgängigkeit des Gewässers für Fische sicherzustellen – oder ob dieses ökologische Ziel nicht durch das Kraftwerk selbst sichergestellt werde.


Denn flussabwärts, behauptet Steinmann, könnten sogar größere Fische das Wirbelbecken gefahrlos passieren: Die Turbine dreht sich mit etwa 20 Umdrehungen pro Minute langsam, der Abstand zwischen ihren Schaufeln ist groß. Schnellschwimmende Fische steigen durch den Kraftwerksstrudel auf: „Das haben wir mit Reusen getestet.“ Für langsamere Arten hat Steinmann direkt neben dem Becken eine Fischschleuse angelegt. Und diese bis 20.000 Franken (14.500 Euro) kostende Hebevorrichtung sei über 100.000 Franken (73.000 Euro) günstiger verglichen mit einer bei konventionellen Wasserkraftwerken nötigen Fischtreppe.


Der Wasserkraftunternehmer von Schöftland sieht im Naturschutz sogar einen Antrieb für den Ausbau der Wirbeltechnologie. Allein in der Schweiz müssten 15.000 verbaute Flusskilometer renaturiert werden. Der Bau von Wasserwirbelkraftwerken könne hier helfen: Die Investoren könne man zur Renaturierung des jeweiligen Fluss­abschnittes verpflichten, das Geld dafür spiele das Kraftwerk wieder ein. „Eigentlich müssten die Umweltverbände das empfehlen“, findet er.


Die „Genossenschaft Wasserkraftwerk Suhre“ firmiert inzwischen als „Genossenschaft Wasserwirbelkraftwerke Schweiz“ (GWWK). 200 Genossinnen und Genossen, jeder zehnte davon aus Deutschland, investierten bisher mehr als 850.000 Franken (617.000 Euro) in das Ökostrom-Projekt. Für 120 potenzielle Wasserwirbelkraftwerks-Standorte in dem Alpenland stellt die GWWK derzeit die Antragsunterlagen zusammen, die prognostizierte Leistung liegt jeweils zwischen 20 und 50 Kilowatt. Unverbaute Gewässer sind tabu. Für mehr als 30 Anlagen ist die kostendeckende Einspeisevergütung bereits beantragt – in der Schweiz ein wichtiger Schritt, weil die Vergütung dort kontingentiert ist, was zum Teil jahrelange Wartezeiten zur Folge hat. Im kommenden Jahr sollen zunächst zwei Anlagen in Bau gehen, 2012 weitere vier. Die örtliche Raiff­eisenbank sagte ungefragt die Finanzierung von zehn Anlagen zu.


Die konkreten Planungs- und Bauarbeiten der Kraftwerke übernimmt die von Steinmann gegründete WWK Energie GmbH. Gemeinsam mit der GWWK finanziert sie auch ein Forschungsprogramm zur Optimierung der Wasserwirbelkraftwerk-Technik. Von einem „erheblichen Verbesserungspotenzial“ spricht Dr. Willy Schlachter, der als Professor für Energietechnik an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) die Wasserwirbelkraft-Projekte betreut.

NOCH OPTIMIERUNGSBEDARF

Ziel der Forschungen ist neben einer optimierten Fischdurchgängigkeit vor allem ein besserer Gesamtwirkungsgrad. In der Prototypanlage Schöftland, wie Schlachterer das erste Schweizer Wasserwirbelkraftwerk nennt, liegt dieser bei nur 40 bis 50 Prozent. Der Wissenschaftler ist zuversichtlich, ihn auf 60 bis 70 Prozent und damit auf das Niveau eines modernen Wasserrades steigern zu können. An einem Eins-zu-acht-Modell in der Hochschule für Technik der FHNW in Brugg-Windisch (Kanton Aargau) gelang es einem Studenten von Schlachterer bereits, den Turbinenwirkungsgrad auf die dafür nötigen 80 Prozent zu heben. Optimiert werden sollen ferner die elektrische Leittechnik, Generator und Getriebe sowie die Anpassung der Komponenten an unterschiedliche Standortgegebenheiten. Die Fachhochschule Biel testet daneben kostengünstigere Konstruktionen aus Holz für Becken und Einlaufkanal.  
Delegationen aus 25 verschiedenen Staaten nahmen die Anlage in Schöftland schon in Augenschein. Mit Thailand, Ecuador und Kenia laufen bereits Vertragsverhandlungen über eine Zusammenarbeit. In diesen Ländern, sagt Steinmann, gehe es um eine Grundversorgung mit Strom, oftmals auch als Insellösung. Wartungsarme, einfach zu errich­tende Wasserkraftwerke seien dafür schließlich besonders gut geeignet.

EIN PRINZIP, ZWEI RICHTUNGEN

Andere Firmen schätzen das ähnlich ein. Etwa die KSB AG im pfälzischen Frankenthal, ein Konzern mit weltweit 14.000 Mitarbeitern und an die zwei Milliarden Euro Jahresumsatz. Bekannt ist er für seine Pumpen, die unter anderem in großen fossilen oder Atomkraftwerken Verwendung finden.


Im Juli setzte KSB im Ehrenthaler Werth, einem Seitenarm des Rheins kurz hinter dem rheinland-pfälzischen St. Goar, zwei Strömungsturbinen ins Wasser. Die Strömungsgeschwindigkeit des Rheins liegt an dieser Stelle bei etwa zwei Metern pro Sekunde. Die beiden Tauchgeneratoren kommen auf eine Nennleistung von je etwa fünf Kilowatt. Die Rotoren selbst, mit Durchmessern von 1,5 und zwei Metern, sind in düsenförmigen, locker zehn Meter langen Rohren aus glasfaserverstärktem Kunststoff angebracht. Eintrittsdüse und Austrittsdiffusor, so der Fachbegriff für die beiden Rohrteile vor und hinter der Turbine, sollen deren Wirkungsgrad steigern. Ein spitzkegelförmiger Grobrechen vorne hält Fremdkörper ab. Projektkoordinator Lenard Vorpahl pendelte anfangs regelmäßig von der Firma zum Rheinufer: Die Fernsteuerung der Anlage wurde erst kürzlich eingerichtet.


Technisch gesehen arbeiten Kreiselpumpen und Turbinen nach demselben Prinzip, nur in umgekehrter Richtung: Bei ersteren treibt ein Elektromotor einen Rotor an, dessen Blätter die Flüssigkeit in eine Richtung treiben. Bei letzteren bringt das strömende Element den Rotor in Schwung, ein Generator wandelt die Drehbewegungen in Strom um. Als Spezialist für getaucht arbeitende Pumpen habe es KSB als nahe liegend empfunden, dieses Wissen nun für den Bau von Unterwasserturbinen zu nutzen, begründet Vorpahl das Engagement: „Unser Ziel ist die Entwicklung einer kommerziell einsetzbaren Strömungsturbine.“


Ein ähnliches Modell hat seit 2006 das österreichische Unternehmen Aqua Libre Energieentwicklungs GmbH entwickelt: die sogenannte Strom-Boje, kürzlich ausgezeichnet mit dem Österreichischen Klimaschutzpreis 2010. Nach erfolgreichem Probelauf eines 15-Kilowatt-Modells mit 1,5 Metern Rotordurchmesser in der Donau soll nun eine 2,5-Meter-Variante mit 40-Kilowatt-Generator getestet werden, angestrebte Jahresleistung: 250.000 Kilowattstunden. Nach Angaben des Unternehmens könnte eine Kleinserie bereits 2011 in Produktion gehen.


Das Donau-Modell ist allerdings lediglich mit einem Anker fixiert. Die beiden KSB-Prototypen in St. Goar sind etwa 30 Meter vom Ufer entfernt kurz über der Flusssohle montiert. Bei normalem Wasserstand sind nur Montagepfeiler und ein paar Warnbojen zu sehen. Gitter mit einer Maschenweite von 20 Millimetern in ausreichendem Abstand vor den beweglichen Teilen stellen sicher, dass auch Taucher nicht zu Schaden kommen würden.


Der Strom wird ins Netz eingespeist und nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit 12,67 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Mit etwas größeren Rotoren und höheren Strömungsgeschwindigkeiten seien bis zu 50 Kilowatt möglich, sagt Vorpahl. Wie beim Wind steigt die Energie in der dritten Potenz mit der Geschwindigkeit: Doppelt so schnelles Wasser liefert achtmal so viel Energie. Wassertiefe und Schifffahrtsrinnen begrenzen indes den möglichen Durchmesser der Rotoren. KSB will daher die Leistung durch Strömungsleitwerke steigern. Bei vorangegangenen Modellversuchen am Prüfstand im Firmenlabor, im Maßstab von eins zu fünf, hat das laut Vorpahl schon funktioniert. Auf ein Jahr angelegte Feldversuche sollen nun zeigen, ob es auch in der Praxis klappt. Daneben sollen sie Parameter liefern, mit denen sich künftige Anlagen theoretisch berechnen lassen. Projektpartner ist die Wörrstadter Juwi-Gruppe.


Wie die Wasserwirbelkraft-Entwickler aus der Schweiz stellt auch KSB die ökologische Verträglichkeit ihrer Kraftwerkstechnik in den Vordergrund. Strömungsturbinen benötigten keinerlei Querverbauung, die Fließgewässer blieben damit durchlässig, wirbt das Unternehmen. Bisher gehe man davon aus, dass auch die Turbine unschädlich für Fische sei, sagt Vorpahl. Eine Argumentation, die offenbar die Behörden überzeugte: Der Teststandort am Ehrenthaler Werth liegt in einem FFH-Gebiet. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD), deren Ministerium das Projekt begleitet, pries explizit die fisch- und wasserwirtschaftlich verträgliche Nutzung der Wasserkraft. Aufwändige Untersuchungen sollen belegen, dass hier tatsächlich keine Fische zu Schaden kommen.


Angaben zur Wirtschaftlichkeit der Anlagen will KSB noch nicht machen. Nutzen ließen sich die Turbinen aber nicht nur in Flüssen, sondern überall dort, wo Wasser über ein Gefälle abgeleitet werde. In Betracht komme etwa auch ein Einsatz am Auslauf von Kläranlagen oder im Kühlwasserauslauf konventioneller Wärmekraftwerke.

POTENZIAL BLEIBT STRITTIG

Im Produktprospekt wirbt der Konzern zudem damit, dass sich die Turbinen, ausreichend Platz im Wasser vorausgesetzt, in Clustern über- und nebeneinander installieren ließen. Wie groß das Potenzial wirklich ist, bleibt strittig. In gängigen, an konventionellen Staukraftwerken orientierten Studien zum Potenzial der Wasserkraft, sagt Vorpahl, tauchten die „Standorte, die für unsere Technik in Frage kommen, gar nicht auf.“ KSB selbst spricht von 6,8 Terawattstunden pro Jahr, die allein in Deutschland ohne Eingriffe in natürliche Geländeformationen zu erzielen wären. Große Marktpotenziale gebe es darüber hinaus in Schwellenländern wie China, Indien und Russland zur Elektrifizierung des ländlichen Raums.


Das Umweltbundesamt allerdings hält die generelle Fischverträglichkeit für fraglich. Setzten sich solche Kraftwerke in größerem Stil durch, werde zudem der Hochwasserabfluss behindert. Und Michael Müller aus dem Vorstand des Bundesverbands Deutscher Wasserkraftwerke warnt vor besonderen Erwartungen. Bei Genehmigungsanträgen drohe Kleinwasserkraftwerken halt die gleiche Odyssee wie normalen Wasserkraftwerken.


Armin simon